Letztens fragte mich ein Kunde während eines Einzelcoachings, ob ich ihm vertraue.
Ich stutzte kurz, denn normalerweise wird die Frage andersherum gestellt. Spontan sagte ich ja.
Und um es zu konkretisieren fügte ich hinzu: „Ich vertraue darauf, dass Sie pünktlich kommen. Ich vertraue auch darauf, dass Sie meine Rechnung bezahlen und dass Sie mit einer gewissen Aufmerksamkeit und Energie an den Coaching Terminen teilnehmen."
Am Abend dachte ich weiter über die Frage nach und stellte fest, dass es auch Gründe gab, sie zu verneinen. Vertraute ich darauf, dass Vereinbarungen in der Zeit zwischen den Coaching-Terminen eins zu eins umgesetzt werden? Nein. Warum nicht? Weil ich persönlich Vertrauen nicht mit Erwartungen gleichsetze. Aus diesem Grund komme ich nicht in Teufels Küche, um dort, so die Redensart, über dem Feuer gebraten zu werden.
Ich passe also ich meine Erwartungen der Realität an, statt meine Illusionsblasen über der Glut platzen zu lassen. Jeder meiner Kunden nimmt etwas mit. Doch wie viele und welche der Sätze, Beispiele oder Bilder, die wir miteinander entwickeln, das liegt nicht mehr in meiner Verantwortung. Der Kunde entscheidet. So handhabe ich das auch selber. Ich entscheide, welche Informationen in Gesprächen mit Ärzten, Kundenberatern, Chefs oder Behörden ich im besten Fall umsetze.
Meine Quote liegt übrigens auch nicht bei 100 Prozent.
Als Coach sehe ich aus der Distanz, was ein Kunde tun müsste, um seine Situation wieder zum Funktionieren zu bringen. Also biete ich Lösungswege an. Unmittelbar danach schraube ich meine Erwartungen herunter und lebe in einer gewissen Spannung. Was wird passieren?
Was probiert der Kunde aus? Welche Entscheidungen trifft er und welche Änderungen hält er durch? Voller Vertrauen auf das Leben, die Menschen und auf das, was ich hineingegeben habe, bin ich Beobachter am Rande des Spielfelds.
Meine größte Freude ist es, Menschen zu befähigen, eigene Ziele zu erreichen und den Umsetzungs-Turbo zu zünden. Es gibt aber auch Coachings, da passiert erst einmal gar nichts. Der Kunde blockiert und kommt nicht ins Tun. Heißt das nun, dass sich mein Vertrauen in diese Person nicht auszahlt? Nein, keineswegs. In diesem Fall wird mein Kunde zum sogenannten „Hilfslehrer“ für mich.
Ich gehe in die Selbstreflektion und frage mich: Waren meine Erwartungen zu hoch, der Zeitpunkt unpassend, der Leidensdruck zu klein, die Konten nicht ausgeglichen, meine Worte nicht klar genug oder die Perspektive zu einseitig?
Ich bleibe offen. Und ich bleibe dran. Denn „Aufgeben kann jeder", so die Worte des ZEN-Mönchs,
bei dem ich gelernt habe.
Lässt sich der Kunde weiter ein, drehen wir an weiteren Stellschrauben, um aus der Starre wieder in die Bewegung zu kommen. Mein Vertrauen in das Lösen von Problemen wird zu mehr Selbstvertrauen beim Kunden.
Lehren und Lernen bedingen sich. Die besten Lehrer waren auch immer bereit, viel zu lernen.
Daher danke ich auf diesem Weg all meinen Kunden, die mich auf unterschiedliche Art und Weise dazu gebracht haben, immer besser und besser zu werden.